Das riskante Spiel mit dem „Demon Core“: Die Geschichte des Louis Slotin

Neben den bekannten katastrophalen Atomunfällen in Tschernobyl und Fukushima gab es besonders in der Frühzeit der Kernforschung eine ganze Reihe von kleineren Atomunfällen, die nur Insidern bekannt sind. Einen dieser Zwischenfälle will ich heute genauer beleuchten.

Als ich das erste Mal etwas über diese Geschichte gelesen hatte, konnte ich kaum glauben, wie sorglos man in der Frühzeit der Kernforschung mit so gefährlichen Stoffen wie Plutonium umgegangen ist. Plutonium ist einer der gefährlichsten Stoffe, die wir kennen. Neben der Radioaktivität (Alpha- und Gramma-Strahler) ist das Schwermetall auch hoch giftig. Ich konnte kaum glauben, dass man damals einfach so in einem normalen Labor damit hantierte.

Schauen wir uns an, was damals am 21. Mai 1946 im Labor von Loas Alamos ereignete.Im Mittelpunkt stand der sogenannte „Demon Core„, und ein brillanter Wissenschaftler, Louis Slotin, verlor dabei sein Leben.

Wer war Louis Slotin?

Louis Slotin war ein erfahrener kanadischer Physiker und Chemiker, der eine Schlüsselrolle im Manhattan-Projekt spielte. Er war bekannt für seine Expertise im Umgang mit spaltbarem Material und führte oft riskante Kritikalitätsexperimente durch. Slotin montierte den Kern der ersten Atombombe. Diese Experimente waren entscheidend, um das Verhalten von Atomwaffen zu verstehen, aber sie waren auch extrem gefährlich.

Die riskante Demonstration

Am 21. Mai 1946 führte Slotin eine Demonstration eines kritischen Zustands für sieben seiner Kollegen durch. Bei dieser Demonstration verwendete er einen Plutoniumkern, der später als „Demon Core“ bekannt wurde. Der Kern sollte von zwei Halbkugeln aus Beryllium umgeben werden. Beryllium ist ein sehr guter Neutronenreflektor und würde den Plutoniumkern in den kritischen Zustand bringen.

Slotins Methode war sehr riskant. Er verwendete einen Schraubendreher, um einen winzigen Spalt zwischen den beiden Schalenhälften aufrechtzuerhalten. Dieser Spalt war entscheidend, um zu verhindern, dass die Anordnung überkritisch wurde und eine unkontrollierte Kettenreaktion startete.

Der verhängnisvolle Moment

Während der Demonstration passierte das Unfassbare: Slotins Schraubendreher rutschte ab. Dadurch schlossen sich die beiden Berylliumhälften vollständig um den Plutoniumkern. In diesem Moment wurde die kritische Masse überschritten, und es kam zu einer sofortigen, intensiven Freisetzung von Neutronenstrahlung und Gammastrahlung – die Anordnung wurde prompt überkritisch.

Die anderen Kollegen sahen ein blaues Leuchten (Tscherenkow-Strahlung). Eine Hitzewelle durchzuckten den Raum. Slotin erkannte die Gefahr sofort. Er riss die Berylliumschale nach oben und beendete so die Kettenreaktion. Durch diese schnelle Reaktion verhinderte er, dass seine Kollegen eine noch höhere Strahlendosis erhielten. Er selbst jedoch hatte die volle Wucht der Strahlung abbekommen.

Die Folgen für Slotin und die anderen

Louis Slotin absorbierte eine extrem hohe, tödliche Dosis an Strahlung. Er zeigte innerhalb weniger Stunden die schrecklichen Symptome der akuten Strahlenkrankheit. Trotz intensiver medizinischer Bemühungen erlag er seinen Verletzungen neun Tage später, am 30. Mai 1946. Er war erst 35 Jahre alt.

Die sieben anderen Wissenschaftler im Raum erhielten ebenfalls Strahlendosen, die jedoch dank Slotins schnellem Handeln deutlich geringer waren. Keiner von ihnen starb unmittelbar an den Folgen der Strahlung, aber einige erlitten später gesundheitliche Probleme.

Die bittere Lehre

Der tragische Tod von Louis Slotin verdeutlichte auf dramatische Weise die immensen Risiken, die mit den manuellen Kritikalitätsexperimenten verbunden waren.

Als direkte Folge dieses Ereignisses wurden die Sicherheitsprotokolle in Los Alamos drastisch verschärft. Man entwickelte und implementierte ferngesteuerte Geräte und robotergestützte Verfahren für Experimente, die sich der Kritikalität näherten. Das manuelle Hantieren mit hochradioaktivem Material in kritischen Konfigurationen wurde fortan strengstens untersagt.

Die Geschichte von Louis Slotin ist eine eindringliche Mahnung an die Gefahren der Kernforschung und die Notwendigkeit höchster Sicherheitsstandards.

Nach heutigen Maßstäben würde der Unfall auf der INES-Skala mit „4“ eingestuft werden.

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