Dieser Artikel ist der Auftakt zu einer kleinen Reihe zur Energieerzeugung durch Kernfusion. Dieses Thema wir oft sehr emotional und mit wenig Sachverstand diskutiert. Das ist der Grund für mich, die Hintergründe etwas genauer zu beleuchten. Im ersten Artikel geht es darum, warum wir nicht schon längst ein Fusionskraftwerk haben und wo genau die technischen Herausforderungen liegen.
Die technische Nutzung der Kernfusion zur Energieerzeugung ist sehr viel schwieriger als die Nutzung der Kernspaltung. Kraftwerke, die auf der Spaltung von Atomkernen beruhen, gibt es schon seit den 1950er Jahren. Auf das erste Kraftwerk, das Strom aus der Kerfusion erzeugt, werden wir noch Jahrzehnte warten müssen.
Dabei ist die Kernfuion ansich keine neue Entdeckung und ist länger als die Kernspaltung bekannt. Schon im Jahre 1917 beschoss Ernest Rutherford Stickstoff mit Alpha-Teilchen. Alpha-Teilchen sind nichts weiter als Atomkerne von Helium. Heraus kam Sauerstoff und Wasserstoff.
147N + 42He → 178O + 11H
Aus zwei leichteren Atomkernen entstand ein schwererer Kern und ein Proton.
Die Reaktion ist allerdings endotherm. Es muss also Energie zugeführt werden.
Ein paar Jahre später wurde schon in einem Experiment die erste Fusionsreaktion durchgeführt, bei der Energie frei wird. 1934 benutzte Mark Oliphant einen Teilchenbeschleuniger, um Deuteriumkerne aufeinanderprallen zu lassen. Deuterium ist die schwere Varinate des Wasserstoffs. Der Kern besteht dabei aus einem Proton und einem Neutron. Dabei beobachtete er zwei Reaktionen:
21H + 21H → 31H + 11H
21H + 21H → 32He + 10n
Bei der ersten Reaktion entsteht Tritium und ein Proton (=Wasserstoffkern). Tritium wird auch superschwerer Wasserstoff genannt. Der Kern besteht aus einem Proton und zwei Neutronen, hat also die Massezahl 3.
Die zweite Reaktion erzeugt Helium 3 und ein Neutron.
Beide Reaktionen sind exotherm, das heißt, Energie wird frei. Diese Reaktionen sind also prinzipell geeignet, technisch genutzt zu werden um Energie zu erzeugen.
Erst 2 Jahre nach diesem Experiment entdeckten Liese Meitner, Otto Hahn und Fritz Straßmann die Kernspaltung.
Wo liegt also das Problem in der technischen Nutzung der Kernfusion zur Energiegewinnung?
Bei der Kernspaltung von Uran und Plutonium-Atomen gibt es einen großen Vorteil. Wenn genügend Kernbrennstoff vorhanden ist, dann gibt es eine Kettenreaktion. Die Neutronen, die bei einer Spaltung entstehen, können weitere Atome spalten. Die technischen Anforderungen relativ einfach. Es muss eine genügend große Menge Kernbrennstoff zusammengebracht werden und der Neutronenfluss muss so geregelt werden, dass bei jeder Kernspaltung durchschnittlich genau ein thermisches Neutron übrig bleibt für eine weitere Spaltung. Dass das Regeln der Kernreaktion doch nicht ganz so einfach ist, zeigt der Unfall im Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl.
Eine stabile Fusionsreaktion aufrecht zu erhalten ist allerdings viel schwieriger. Bei der Fusion gibt es keine Kettenreaktion, die nur geregelt werden muss. Hier muss ein extrem heißes Plasma lange genug in einem Gefäß stabil gehalten werden, damit die Fusionsreaktionen ablaufen können. Das geschieht in einem ringförmigen Gefäß mittels Magnetfelder. Die elektrisch geladenen Teilchen des Plasmas selber bewegen sich. Es fließt also ein elektischer Strom, der wiederum ein Magnetfeld erzeugt. Diese gegenseitige Wechselwirkung macht es so schwer, ein genügend dichtes und heißes Plasma lage genug stabil zu halten. Im ITER, dem im Bau befindlichen Versuchsreaktor, soll das Plasma bis zu einer Stunde stabil gehalten werden, so dass die Fusionsreaktion aufrecht erhalten wird.
Einen funktionsfähigen Fusionsreaktor zu bauen ist eher ein Problem der Plasmaphysik als ein kernphysikalisches Problem.
Für die Erzeugung des Magnetfeldes und das Aufheizen des Plasmas wird Energie gebraucht, sehr viel Energie. Bei den bisher existierenden Versuchsreaktoren ist es so, dass mehr Energie hineingesteckt werden muss als durch die Kernfusion erzeugt wird. Beim ITER soll das anders werden. Es soll mehr Energie liefern als verbrauchen. Trotzdem ist der Reaktor kein Kraftwerk sondern ein Experiment. Das geplante Nachfolgeprojekt DEMO wäre ein Versuchskraftwerk, das Strom ins Netz einspeißen würde.
Auf den ITER und auf DEMO werde ich in späteren Artikeln noch genauer eingehen.
Fazit
Bis zu einem komerziellen Kraftwerk, das Strom aus der Energie der Kernfusion erzeugt, ist es noch ein langer Weg. Wenn der ITER erfolgreich in Betrieb genommen wurde und ein experimentelles Kraftwerk getestet wurde, dann sind erste kommerzielle Kraftwerke möglich. Wir sprechen hier von einigen Jahrzehnten. Ob es dann überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist, Fusionskraftwerke zu bauen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Möglicherweise sind erneuerbare Energien und Speichertechniken bis dahin so billig, dass sich der Bau von Fusionskraftwerken nicht lohnen wird.
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